Buchnotiz: 'The Human Element' von Loran Nordgren und David Schonthal

Es gibt Bücher, die man nicht einfach so von Anfang bis zum Ende liest wie einen spannenden Roman. So geht es mir mit dem Buch „The Human Element“ von Loran Nordgren und David Schonthal. Das Buch habe ich vor einem knappen Jahr schon einmal überflogen und erste Erkenntnisse daraus in einem Artikel für einen Kunden in die Praxis umgesetzt. Dann waren andere Sachen wichtiger, aber wie so oft, komme ich immer wieder zurück zu den guten, den wichtigen, essenziellen Sachen.

Schon beim ersten Lesen des Buchs war ich fasziniert vom Ansatz der Autoren, neue Ideen, Produkte oder „den Wandel“ subtil zu vermitteln. Also nicht mit einer aggressiven Sales-Taktik und lauten Worten, sondern mit dem Blick auf „friction“, auf die Reibung, die Widerstände, die wir Menschen instinktiv aufbauen, wenn wir das Gefühl haben, dass uns jemand nur etwas verkaufen will.

In ihrem Buch argumentieren die Autoren, dass wir nicht ständig Treibstoff nachfüllen sollen, um etwas in Bewegung zu bringen, sondern besser mit viel Geduld und Empathie die Widerstände adressieren sollten. Was ich an dem Buch mag, ist die praktische Komponente. So arbeiten sich die Autoren recht methodisch an den verschiedenen Aggregatzuständen der Reibung ab und geben viele Tipps und Beispiele, wie man diese Widerstände entkräften und in eine Vorwärtsbewegung umleiten kann.

Was erzeugt Reibung und wie sollte man sie adressieren?

  • Trägheit („interessant, aber doch nicht so wichtig …“): unbekannte Ideen in bekannte Ideen umformen – klein starten – oft wiederholen – viel mit Analogien und Beispielen arbeiten.
  • Aufwand („zu teuer, zu kompliziert …“): zunächst verstehen, was als aufwendig gesehen wird (Anstrengung / Unklarheit der Aufgabe, des Ziels), hier hilft eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, eine klare Roadmap.
  • Emotionen („zu risikoreich, zu anstrengend …“): herausfinden, was diese unerwartete Emotion auslöst – das „Warum“ hinterfragen – auf die Emotionen eingehen.
  • Innerer Widerstand / Widerstand von anderen Entscheidern („mein XYZ ist dagegen …“): da hilft die ganze Überredungskunst nichts, jedes Argument führt zur Verhärtung. Da muss man sehr sachte arbeiten, mit Fragen arbeiten.

Wer sich genau einfühlen (und fragen) kann, welche Art der Reibung vorliegt, kann daraus die entsprechenden Maßnahmen und Inhaltsformate finden.

Das Buch empfehle ich allen, die mit dem vielen Treibstoff an die Grenzen stoßen und eine andere, subtile Art der Kommunikation anstreben. Denn wer genau versteht, wie die Zielgruppe tickt, was sie antreibt, aber auch zurückhält, kann viel feiner und treffender kommunizieren.

Meine Notizen:

  • Es gibt zwei Arten von Treibstoff: progressiver Treibstoff macht die Idee attraktiver und überzeugender; der zukunftsorientierte aversive Treibstoff treibt an, weil die Menschen Angst haben, falsch zu wählen.
  • Warum zögern Menschen, sich auf neue Ideen einzulassen: entweder ist die Idee nicht gut genug (zu wenig Treibstoff) oder eine Reibung blockiert den Fortschritt.
  • Schuld hat nie der Adressat: Wenn wir die Kräfte des Widerstands nicht verstehen, schieben wir die Schuld auf die Menschen und Institutionen, die unsere Ideen ablehnen, und nicht auf die dunklen Kräfte, die sie untergraben.
  • Fokus auf das Unsichtbare: Treibstoff ist leicht zu erkennen, und Reibung versteckt sich unter der Oberfläche. Das Erkennen von Reibung benötigt Einfühlungsvermögen, statt auf die Idee, müssen wir uns auf das Publikum konzentrieren.
  • Die tiefe Schicht des Widerstands aufdecken: Wer einen Kunden direkt fragt, „Welche Bedenken haben Sie?“, wird er etwas sagen, aber nicht die wirkliche Sorge mitteilen. Es ist auch schwierig, das zu fühlen und zu kommunizieren. Wir müssen also zwischen Gefühl und Emotion unterscheiden. Das Gefühl ist die gefühlte Erfahrung. Emotionen sind der komplexe, kognitive Motor, der bestimmt, wie wir uns fühlen. Menschen wissen, wie sie sich fühlen. Aber es fällt ihnen schwer, genau zu erklären, warum.
  • Trägheit bevorzugt das Bekannte: Der Instinkt, das Vertraute zu bevorzugen. Es ist ein Funktionsprinzip, das einen Großteil unserer Handlungen steuert. Wir mögen Menschen, Objekte und Ideen umso mehr, je vertrauter sie uns sind.
  • Hoffnung auf die neuen Generationen: Neue Ideen, auch wenn sie noch so bewährt und offensichtlich sind, werden erst dann umgesetzt, wenn die Generationen, die sie als neu betrachten, sterben und durch Generationen ersetzt werden, die die Ideen als akzeptiert und alt betrachten.
  • Überwindung der Trägheit: Das Unbekannte in das Vertraute umwandeln. Denn wenn die Vertrautheit wächst, lässt die Reibung nach. Ziel ist es, dass sich eine neue Idee weniger als ein fremder Eindringling und mehr wie ein alter Freund anfühlt.
  • Gesetz des geringsten Aufwands austricksen: Das Gesetz des geringsten Aufwands besagt, dass Menschen im Laufe der Zeit den Weg einschlagen, der die größte Belohnung für den geringstmöglichen Aufwand bietet. Das Hauptaugenmerk liegt also auf den Kosten des Handelns.
  • Nicht immer nur Kunden begeistern: Die Frage sollte nicht lauten: Wie können wir den Kunden begeistern? Die Frage sollte vielmehr lauten: Wie können wir die Interaktion für den Kunden einfach gestalten?
  • Emotionale Reibung begreifen: unbeabsichtigten negativen Gefühle, die eine neue Idee oder Innovation behindern. Angst und die Zweifel, die mit der Einführung eines neuen Produkts verbunden sind, sind eine häufige emotionale Reibung. Es ist genau das Gegenteil von dem, was wir beabsichtigen.
  • Emotionalen Wert verstehen: Theorie der „zu erledigenden Aufgaben“ – Kunden achten auf funktionalen Wert (z. B. Zeitersparnis), sozialen Wert (z. B. Beeindrucken der Freunde) und emotionalen Wert (z. B. Freude). Die drei Dimensionen des Wertes sind in jeder Entscheidung, die wir treffen, vorhanden.
  • Zugang zu „Treibstoff“ ein Selbstbedienungsvorgang: Als Verbraucher wissen wir genau, wohin wir gehen müssen, um das Wissen und die Daten zu erhalten, die wir benötigen, um unsere Entscheidungen zu treffen. Aber es gibt einen seltsamen Nebeneffekt des Selbstbedienungs-Treibstoffs – er erhöht das emotionale Risiko, eine falsche Wahl zu treffen.
  • Überwindung von Emotionen: Wir sehen nicht, wonach wir sehen. Unaufmerksamkeitsblindheit, und wir erleben es jeden Tag.
  • Widerstand brechen: Je mehr wir das Gefühl haben, dass uns unsere Freiheit genommen wird, desto mehr werden wir das Bedürfnis verspüren, uns zu wehren. Wenn unsere Versuche, Veränderungen herbeizuführen, Widerstand auslösen, verstärkt sich der Widerstand gegen die Innovation. Wenn sie mit Beweisen konfrontiert werden, die im Widerspruch zu ihrer Weltanschauung stehen, ziehen es die Menschen oft vor, die Beweise abzulehnen, anstatt ihre Überzeugungen zu hinterfragen. Allein das Gefühl, überredet zu werden, reicht aus, um Widerstand auszulösen.
  • Überwindung des Widerstands: Aufhören, auf Veränderungen zu drängen. Anstatt zu versuchen, andere zu überreden, sollten wir ihnen helfen, sich selbst zu überzeugen. Selbstüberzeugung findet statt, wenn die Argumente und Einsichten für Veränderungen von innen kommen. Fragen statt erzählen. Neue Innovationen und Ideen werden leichter akzeptiert, wenn wir mit Fragen beginnen, die Akzeptanz und Gemeinsamkeiten aufzeigen.