Denkst du noch oder fühlst du schon?

„Ich fühle, dass das hier in die falsche Richtung geht.“

„Ich fühle, dass das hier ganz toll ist.“

Fühlst du das wirklich? Oder denkst du nur, dass du es fühlst?

Als ich vor knapp 25 Jahren nach San Francisco zog, lernte ich dort etwas bis dahin recht Unbekanntes kennen: das Fühlen. Emotionen. „Express yourself“, hieß es damals. Ich war jung, fühlte mich angezogen von den Hippies im Lower Haight. Ich lernte mich zu öffnen und tauchte tief in die „touchy feely“-Sprache ein. Seitdem spreche ich mehr über das Fühlen. Das dachte ich jedenfalls die ganzen Jahre.

Mittlerweile ist viel Zeit vergangen und ich bin auch kein Westküsten-Softy mehr. Aber über Gefühle mag ich immer noch gern sprechen. Neulich ist mir jedoch aufgefallen, dass ich zwar über Gefühle spreche, aber darin bringe ich nicht zum Ausdruck, was und wie ich fühle, sondern was ich denke. Warum? Wenn du etwas fühlst, dann brauchst du nur einen einfachen, kurzen Satz dafür: „Ich fühle Wut.“ Mehr nicht. Wenn nach einem „Ich fühle mich xyz (das Gefühl)“ noch mehr kommt („Ich fühle, dass du mich hintergehst“), dann steckst du noch im Kopf fest. Andersherum: Wenn jemand „Ich fühle mich nicht gut, weil du mich hintergehst“, dann solltest du genau hinhören und nachfragen, was dahintersteckt.

Vielleicht sollten wir klarer sagen, was wir denken und was wir fühlen. Ich werde jedenfalls stärker darauf achten und einige meiner Aussagen von „Ich fühle“ in „Ich denke“ umwandeln und die Gefühlssätze einfach kurz halten. „Ich bin glücklich“ – PUNKT. Mehr brauchst du nicht zu sagen.

Höre dir mal selbst zu: Vermittelst du wirklich nur ein Gefühl oder eher einen Gedanken, den du sprachlich in ein Gefühl verpackst, um die Wirkung abzumildern (denn es ist ja ein Gefühl)? Vielleicht steckst du doch noch tiefer im Kopf als du es dachtest.