Warum das Diktieren Ihre neue Kernkompetenz sein muss


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Mit Spracherkennung „schreiben“ Sie in kürzerer Zeit mehr Text. Aber nicht nur das: Sie schreiben auch BESSERE Texte. Und, noch besser, Sie sitzen dabei nicht die ganze Zeit am Schreibtisch. Was sich verändern muss ist das Denken und die Verarbeitung des Denkens in lesbare/sprechbare Inhalte. Um dahin zu kommen, benötigen Sie Struktur, Konzentration und vor allem einen klaren Kopf.

Sie wollen Texte und Inhalte schneller erstellen, aber dabei nicht die Qualität verringern? Sie benötigen mehr Zeit zum Durchdenken von Zusammenhängen und zum Herausfiltern der wichtigen Dinge?

Warum diktieren Sie dann noch nicht?

Das Diktieren ist eine lohnende Investitionen in eine schnellere Texterfassung. Aber vor allem ist es eine erstklassige Übung, um langfristig klarer und strukturierter zu denken und zu sprechen.

Wenn Diktieren so einfach wäre, dann würden wir weniger Menschen sehen, die mit einem gebückten Rücken über der Tatstatur hängen. Wir würden uns wieder mehr bewegen, weil wir nicht an den Schreibtischen gefesselt sind.

Dabei ist die Technik schon längst da und zufriedenstellend ausgereift. Das Problem liegt woanders, nämlich im Kopf - “Garbage in, garbage out” heißt: Wenn Sie nicht wissen, was und wie Sie diktieren, dann werden Sie es später auch nicht verwenden können. Was für eine Zeitverschwendung! Das heißt, dass Ihr Text von Anfang an tiefer durchdacht sein muss, damit die diktierte Zeit nicht komplett unproduktiv ist.

Vielleicht haben Sie das Diktieren auch schon einmal versucht— und aufgegeben. Ich kenne das nur zu gut. Seit etwa 20 Jahren springe ich schon auf. Und wieder ab. Seit etwa 2 Jahren bleibe ich dran. Täglich, außer an den Wochenenden. Ich gehe mindestens eine halbe Stunde raus auf einen “Dikatgang”.

Beim Diktieren geht es also nicht um die Technik (die haben wir mittlerweile wirklich gut im Griff), sondern es geht um eine Veränderung unseres Denkens. Wir müssen uns genau überlegen, was wir sagen - und zwar bevor wir losplappern. Genau das ist schwierig. Als audiovisueller stelle ich mir Gedankenstränge so vor als würden sie im Auto auf die innere Windschutzscheibe projiziert. Wenn ich diktiere, dann muss ich also genau wissen, wo ich anfange und wohin ich möchte.

Wollen Sie also mehr als einen wilden Brain-Tsunami diktieren, sollten Sie die Texte detaillierter als gewohnt strukturieren. Das erfordert eine Struktur (z.B. eine Mindmap) und Klarheit im Kopf. Denn Sie können nur lesbare Texte diktieren, wenn Sie vorher im Kopf aufgeräumt haben. Manche räumen den Kopf aus, in dem sie sich erst einmal freisprechen. Andere schweigen sehr lange (oder meditieren) und finden dann so zur Ruhe. Bei beiden Ansätzen ist es wichtig, dass Sie sich nicht zu sehr verzettelt. Gehen Sie lieber mit kleinen Aufgaben raus zum Diktieren und versuchen Sie nicht, in einem Rutsch ein komplettes e-book zu diktieren.

Jeder, der nicht einen schwerwiegenden Sprachfehler hat, kann diktieren. An anderer Stelle habe ich die verschiedenen Apps und Werkzeuge dazu aufgelistet. Wer mit dem Resultat nicht zufrieden ist, sollte es nicht mehr auf die Technik schieben. Schuld sind wir:

  • Wir glauben selber nicht daran, was wir sagen (das wird sich genauso schwach lesen)
  • Wir glauben nicht, dass wir etwas Wichtiges sagen (es wird zu knapp, zu belanglos)
  • Wir trauen uns nicht an die wichtigen Gedanken heran (ein einziges Blablabla)
  • Wir verbringen unsere Zeit lieber mit der eigenen Nabelschau (noch mehr Blablabla und me-me-me)
  • Wir diktieren nicht, um anderen eine Freude oder einen Ratschlag zu geben, sondern um uns in Ruhe zuzuhören (reine Zeitverschwendung)
  • Wir wollen nichts lösen, sondern benutzen es für die eigene Therapie. Wir sehen es als günstige Katharsis, die uns den Psychiater erspart (bitte verschonen Sie uns damit).

Wer ein starkes Ego hat und glaubt, dass alles, was aus seinem oder ihrem Mund kommt Gold ist, sollte spätestens nach der Übertragung des Audiodokuments in ein Textdokument zweifeln. Ganz große Egos zweifeln natürlich nie. Aber um einen gesprochenen Text interessant und lesbar zu bekommen, ist einfach mehr nötig als einfach etwas herunter zu diktieren.

Was wir nun lernen müssen – vor allem jene, die viel mit Texten zu tun haben – ist, das Schreiben mit der Tastatur zu überspringen und die Gedanken „zu sprechen“. Und zwar so, dass sie lesbar und vor allem spannend sind. Wer es schafft, die Leser mit einer gedanklichen Perlenkette immer weiter (nach vorne!) zu treiben, ist auf Dauer wertvoll und wird nicht durch Maschinen ersetzt.

Es gibt viele schlaue Menschen, die in komplizierten Schachtelsätzen denken und auch so schreiben. Niemand kann da folgen. Niemand will folgen! Wir leben in einer Zeit, in der die Aufmerksamkeitsspanne sehr niedrig ist. Dementsprechend müssen wir uns auch zwingen, anders zu schreiben. Das heißt: kürzer und durchdachter. Kill your darlings! Kürzen Sie.

Wenn Sie etwas geschrieben haben: Lesen Sie es sich noch einmal laut vor? Ich mache das mit jedem Text. Warum? Ich merke sofort, was unrund ist und nicht richtig klingt. Diese Lesebremsen lassen sich schnell herausstreichen. Gleichzeitig üben Sie für Ihre Dikatgänge. Sprechen Sie beim Vorlesen etwas langsamer (nicht übertrieben langsamer) und deutlicher (nicht albern übertrieben) als sonst. Das ist übrigens dann auch Ihre Diktiergeschwindigkeit.

Beim Diktieren ist es wichtig, dass sie im Flow bleiben. Also: Sie sollten niemals mitten im Gedanken aufhören. Auch das erfordert Übung. Auf meinen Diktatgängen kommen mir immer wieder Spaziergänger entgegen. Da ich auf dem Land lebe und man sich hier gegenseitig grüßt und freundlich in die Augen schaut, höre ich etwa 10 bis 15 Meter vor der Begegnung mit dem Diktieren auf. Denn man sieht ja nicht, dass ich diktiere. Mein Mikrofon ist irgendwo in der Jacke oder unter meinem T-Shirt positioniert.

Ich schaue also den entgegenkommenden Spaziergänger an und sage laut und deutlich „Servus". Ich könnte auch „Hallo“ oder „Grüß Gott“ sagen, aber das Servus ist in meinem Sprachraum eher inaktiv. Gerade deswegen sage ich das ja. Später kann ich dann mit der Suchfunktion nach „Servus“ suchen und diese Teile herausstreichen. Sollten Sie also in einem meiner Texte ein Servus lesen, dann habe ich wohl schlampig gearbeitet.

Spaziergänger sind aber auch in anderer Hinsicht störend:: Mit jedem entgegenkommenden Spaziergänger werde ich in meinem Diktierfluss unterbrochen. Das war zu Beginn ein großes Problem, den Gedanken wieder aufzugreifen. Doch mit Übung kann man genau dort wieder anknüpfen, wo man unterbrochen wurde. Das ist übrigens eine Tugend, die ich bei allen Menschen, auch den “Nicht-Diktierern”, schätze.

Auch wenn Sie alles durchdacht haben und nun viel detaillierter an ihre Diktiereraufgaben gehen, heißt das nicht, das letztendlich ein anderer Text herauskommt als sie es planten. Ich bin mir aber sicher, dass der Text besser wird. Warum? Weil sie natürlich öfter darüber nachgedacht haben. Denn Sie konnten verschiedene Versionen sprechen.

Ein interessanter Ansatz ist es, nicht auf einmal eine sehr lange Version zu diktieren, mit der Sie dann zufrieden sind, sondern ganz strukturiert in drei Durchgängen zu arbeiten:

1. Die Essenz in 250 Worten Versuchen Sie zunächst ihr ihre Diktierer-Aufgabe in weniger als 250 Worten und einfachen Sätzen zu beschreiben. Sie haben nicht viel Zeit und wollen einem Unbekannten das Konzept erklären, dass sie in längerer Form dann besprechen. Was müsste da rein? Worum geht es?

Seit einer Weile übe ich an dieser 250-Wort-Beschreibung. Denn oftmals merke ich erst nach einer Weile, dass ich vieles diktiere/schreibe, was ich wohl niemals verwenden werde (aber lesen muss ich es ja noch, um es herauszufiltern). Dann starte ich einfach von Neuem. Und gerade hier liegt der große Vorteil des Diktieren: Sie würden niemals einen Artikel noch einmal komplett umschmeißen, nur weil Sie am Ende nicht richtig damit zufrieden sind. Ich kann aber in einer halben Stunde einen komplett anderen und wahrscheinlich besseren Artikel diktieren — weil ich schon einmal tief abgestiegen bin und mir natürlich auch selber zuhöre und mir hoffentlich ein paar Perlen davon gemerkt habe.

2. Eine gute längere Version Wenn Sie in 250 Worten oder weniger die wichtigsten Aspekte herausgearbeitet haben, können Sie länger werden und an den relevanten Stellen anbauen. Oftmals kommen Sie mit der zweiten Version schon gut weiter. Vielleicht reicht diese Version auch schon zum Redigieren. Wenn ich mich vergaloppiere, dann spreche ich “Neuer Absatz - KORREKTUR - Neuer Absatz” und ich weiß später, dass ich an dieser Stelle neu angesetzt habe. Das spart Zeit.

3. Die optimale Version Eigentlich gibt es sie nicht. Zumindest nichtswürdig mich. Denn letztendlich muss ich die eingesprochene Version immer noch redigieren. Aber mit viel Übung wird die diktierte Version immer optimaler. Man muss sich ja auch Ziele setzen….,

Ist das nur etwas für junge Menschen? Das könnte man meinen. Für viele — und auch für mich — war die Tastatur eine wichtige Krücke. Das ging so: Ich hatte eine Idee, eine Eingebung. Ich legte meine Hände auf die Tastatur. Dann ging es los. Mein Kopf verbündete sich mit der Muse. Ich überließ alles meinen Fingern. Die Muse diktierte über meine Finger etwas in den Bildschirm. Sensationell, was daraus kam. Nicht immer war die Muse willig. Tagesform.

Die Jugend von Heute sieht die Tastatur eher als Relikt alter Tage. Sie haben ihre Hände am Smartphone. Sie sind es gewohnt Texte in schneller Folge in einem kleinen Bildschirm einzugeben. Sie benutzen schon längst die Spracherkennung in ihren Handys. Sie sind damit viel schneller als wir. Das heißt auch. auch, dass Sie in kürzerer Zeit viel mehr Text erzeugen können.

Aber nun kommen Sie ins Spiel. Sie haben Erfahrung und wissen viel. Das sind zwei Dinge, deren Sie sich immer bewusst sein sollten. “Garbage in - garbage out” heißt auch: Es reicht nicht, die Technik zu beherrschen. Wer gute Texte diktieren will, benötigt viel Denkarbeit. Mit Ihrer Erfahrung haben Sie hier einen riesigen Vorteil.

Langweilen Sie sich manchmal selber, wenn Sie einen Text schreiben? Bei der Spracheingabe haben Sie die Möglichkeit, direkter am Text und an den Aussagen zu feilen. Diktieren Sie Texte, die schnell auf den Punkt kommen. Texte, die besser sind; die näher am Herzen sind. Um zu denen zu kommen, benötigen Sie einfach mehr Freiraum zum Denken und Fühlen.

Und hier empfehle ich ganz bewusst, auch einen Stift zur Hand zu nehmen. Jeder hat eine bevorzugte Art zu Denken und zu einem guten Denkergebnis zu kommen. Ich schreibe und male gerne mit meinem Füller auf einem Blatt Papier herum, bis ich eine Idee bekomme. Dann wechsle ich zu einer Mindmap für ein strukturiertes Nachhalten von Ideen und Rechercheschnipseln und dann geht es zum Diktieren.

In den nächsten Blogfolgen werde ich mich der Technik und den Workflows widmen. Wie kommen Sie effizient, lesbar und mit viel Bewegung von Ihren Ideen zum fertigen Lesestück?