Fünf Gründe, warum ihre Präsentation niemals ein TED-Talk wird (oder vielleicht doch?)

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Heutzutage redet jeder von TED-Talks. Die Präsentation muss anders sein als die üblichen langweiligen Listen und textlastigen Folien? Klassische Beraterantwort: Da machen mir doch einen TED Talk draus! Wir machen es frischer, wir arbeiten mit mehr Bildern, wir haben nur ganz wenige Worte auf den Folien; dafür sind die Worte ganz fett gedruckt. Wir erzählen eine Geschichte. Storytelling ist ja so trendy, in 12 Minuten sind wir durch (und Sie ein Star! In den TED-Podcasts gibt es viele spannende Präsentationen, aber sind Sie wirklich “TED-Talk-Material?“

Seit vielen Jahren stelle ich mir ganz geheim vor, jede meiner Präsentationen wäre ein TED-Talk. Meine Zuhörer wissen das natürlich nicht, nun ist es raus. Vielleicht fällt es auch gar nicht auf. Und auch bei anderen (langweiligen) Präsentationen stelle ich mir die Frage: Würde ich länger durchhalten, wenn das ein TED-Talk wäre und was müsste man ändern? Ehrliche Antwort: Wahrscheinlich sofort den Vortragenden austauschen. Aber so einfach ist es natürlich nicht und deswegen habe ich Gründe gesammelt, warum Ihre Präsentation niemals ein TED-Talk wird – in der Hoffnung, dass Sie mich bei der nächsten Präsentation überraschen und vom Gegenteil überzeugen:

1. Das Publikum will gar keinen TED-Talk

Stellen Sie sich vor, sie stehen vor 1.200 Menschen. Die Energie im Raum knistert wie ein aufgeregtes Bonbonpapier im Kino, sie haben nass-glitschige Hände, ihre Kniee zittern und sie fühlen sich als liefen sie gerade durch eine Waschanlage, in der gleichzeitig heißes und kaltes Wasser auf sie herunterprasselt. Sie sind bereit. Doch ist es auch ihr Publikum? Denn bei Präsentationen sind die Zuhörer nicht unbedingt immer so aufgeschlossen wie die exklusiven TED-Gäste. Wer bei TED zuhören darf, der ist wichtig oder fühlt sich zumindest so; der ist gespannt auf das was kommt; der weiß, dass gleich ein ansteckendes Ideen-Feuerwerk gezündet gibt. Und der typische TED-Zuhörer ist dem Vortragenden äußerst milde gestimmt. Kurzum: Die Zuschauer freuen sich darauf, von Ihnen unterhalten und überrascht zu werden.

Oftmals ist es aber bei unseren Präsentationen ganz anders: Die Zuhörer haben keine Zeit, sie müssen noch 5.483 E-Mails beantworten. Da, schon wieder eine neue E-Mail. Im Konferenzraum ist es heiß und stickig. Zudem sind die meisten Präsentationen sowieso zu langweilig oder bringen nur Arbeit, man muss sich mit neuen, mitunter bedrohlichen Dingen beschäftigen. Wenn Sie in einem solchen nervenlähmenden Umfeld mit einem überraschenden TED-Format ankommen, dann werden Sie auf eine komplett andere Erwartungshaltung treffen. Das kann stark nach hinten losgehen. Oder: Sie sind so gut, dass sie mit Ihrer Präsentation selbst die stinkigsten Miesepeter aus den Sitzen heben. Das ist aber unwahrscheinlich und liegt meistens sowieso nicht an Ihrer Leistung.

2. Das TED-Format wird nicht verstanden

Viele der TED-Talks sind typisch Amerikanisch: sehr Ich-bezogen, etwas übertrieben (ich darf das behaupten, ich war lange genug in den USA – sehen Sie, da färbt das Ich-Bezogene gleich ab). Erzählt wird eine emotionale Geschichte. Und das geht natürlich am besten, wenn man über sich selber redet. Amerikaner lieben das. In Deutschland ist das oft verpönt. Viele der TED-Talk-Präsentatoren sind selbsternannte Missionare, oft auch marketingfrisierte Selbstdarsteller, die letztendlich alle die Welt retten wollen. Darunter geht´s nicht. Und das zieht natürlich besser als Produkte zu verkaufen. Bei TED gilt: Erst die Präsentation, dann die Produkte und Beratungsleistungen verkaufen. Das darf man niemals vermischen.

Der zweite Punkt knüpft also gleich am ersten an: Das Publikum ist manchmal einfach nicht bereit, große Ideen mit Ihnen zu durchdenken. Da kann es schnell passieren, dass Ihre Präsentation nicht konkret genug ist und nicht die speziellen Situationen und die Wünsche der Zielgruppe trifft. Wenn das passiert und sie es nicht sofort merken um gegenzusteuern, dann wird das oben am Sprecherpult sehr einsam. Und nach der Präsentation sehr ruhig.

3. Anlass und Format passen nicht zusammen

Das kann verschiedene Gründe haben: Die Zuhörer sind einfach zu steif – oder sie sind es; im Hintergrund passieren viele andere Dinge und Ihre Zuschauer werden abgelenkt von der süßen Assistentin oder dem knackigen Assistenten, der die ganze Zeit zum Rednerpult rennt, um Ihnen das Glas Wasser aufzufüllen. Dann kann es natürlich passieren, dass Ihre Präsentation doch nicht so emotional und witzig ist wie sie es sich erhofften und wie es Ihnen Ihre Mitarbeiter ständig versicherten. Wer ein guter Chef ist, der bekommt auch ehrliches Feedback und erspart sich später die Peinlichkeit.

Emotionale TED-Talks punkten höher. Deswegen werden Ihnen Berater vielleicht sagen, dass sie hin und wieder Ihre Persönlichkeit einbringen sollten. Aber vielleicht liegt es gar nicht in ihrem Naturell? Und das ist auch gut so. Dann stellt sich allerdings die Frage, was für eine Präsentation sie denn stattdessen brauchen? Sie können zumindest versuchen, etwas lockerer mit der Sache umzugehen und einen “TED light“-Vortrag zu halten. Oder sie kehren zurück zu ihrer alten, noch langweiligeren Präsentation. Die Empfehlung wäre hier: Wagen sie sich heraus, zumindest ein kleines Stück. Fallen Sie bloß nicht zurück zu Ihrer Präsentation voller Bulletpoints and Charts. Das braucht niemand.

4. Ihr Thema/Produkt ist stinklangweilig

Man muss einfach nur die richtige Geschichte, den überraschenden Blickwinkel, den drückenden “Schmerzpunkt“ der Zuschauer finden. Dann erzählt sich das von ganz alleine und es wird automatisch spannend. Stimmt das? Manchmal muss man sich einfach damit begnügen, dass man aus einem Esel kein Rennpferd machen kann. Manchmal ist die Geschichte einfach zu profan, ohne Fleisch am Knochen. Wenn Sie an diesem Punkt sind, dann ist das ein guter Zeitpunkt, um sich in die Lage Ihrer Zuschauer zu versetzen. Was wollen die wirklich? Was finden die spannend? Wenn Sie nur ein paar Minuten im Aufzug in den dritten Stock hätten, was würden Sie rüberbringen wollen? Wenn Sie dafür keine vernünftige Antwort finden, dann sollten Sie vielleicht den Termin verschieben.

Wenn Ihr Produkt zu langweilig ist und Sie tatsächlich keinen interessanten Aspekt finden (einen wirklich interessanten!), dann ist es vielleicht an der Zeit, einen anderen Job zu finden. Ich weiß, das hilft Ihnen jetzt bei Ihrer aktuellen Präsentation nicht weiter. Aber mittelfristig sollten Sie einen anderen Job finden. Und dann ist vielleicht auch ein TED-Talk drin.

5. Die Präsentationszeit wird überschätzt oder unterschätzt

Hier gibt es drei Dinge zu beachten: Präsentationen können zu lang, zu kurz, oder zu kompliziert sein.

Ihr Präsentation ist zu kompliziert

Für die komplizierten Präsentationen gibt es eine einfache Lösung: Lassen Sie es. Niemand hat die Zeit und die Energie, um Ihre komplizierten Charts zu lesen und Ihnen gleichzeitig zuzuhören. Machen Sie es einfacher. Und wenn diese Chart wirklich sehr wichtig ist, überlebenswichtig, dann geben Sie doch nach der Präsentation ein Handout mit einer langen, wissenschaftlichen Beschreibung heraus. Ihre Zuhörer werden sich freuen, dieses Stück Papier irgendwo in den Schreibtisch zu legen und vielleicht wird das Stück Papier ja auch noch wertvoll für Ihre Zuhörer.

Ihr Präsentation ist zu lang

In einem TED Talk werden meistens nur wenige Dinge besprochen. Es gibt vielleicht ein bis zwei Hauptaussagen, und die werden dann in 12 bis 15 Minuten hartgeklopft. Wenn Ihre Präsentation einfach zu lang ist, dann kann man ihnen nur wünschen, dass sie es schon vorher gemerkt haben. Nehmen Sie sich die Zeit und halten Sie die Präsentation vorab in Echtzeit (und denken Sie an Unterbrechungen, Zwischenfragen, den Assistenten, Netzwerkprobleme, …). Die Empfehlung gegen zu lange Präsentationen: Aufräumen! Schmeißen Sie die vielen „wichtigen Botschaften“ raus, “Kill your darlings“. Vertändeln Sie sich nicht mit Details, auch hier können Sie später zusätzliche Informationen als Handout herausgeben.

Ihr Präsentation ist zu kurz

Und dann kann es sein, dass ihre Präsentation einfach zu kurz ist. Ich finde, das ist gar nicht so schlimm. Wenn Sie es geschafft haben, die wichtigsten Aspekte interessant und unterhaltsam herüberzubringen, dann darf die Präsentation gerne kürzer sein. Vielleicht sind ihre Zuhörer dann noch wach und motiviert, um ihnen Fragen zu stellen. Und finden Sie nicht auch, dass gerade die Fragen nach der Präsentation meistens viel spannender sind, wenn sich der Vortragende auch wirklich darauf einlässt und nicht schmallippig alles abbügelt?

Ihre Präsentation kann nie zu kurz sein

Wenn Ihre Präsentation zu lang oder zu kompliziert ist, dann will Ihnen auch niemand mehr Fragen stellen. Achten Sie mal darauf. Wenn sich niemand meldet, dann muss das nicht unbedingt daran liegen, dass sie alle Fragen schon in ihrer Präsentation beantwortet haben. Es traut sich nur niemand mehr, Ihnen eine Frage zu stellen, denn die Antwort wird wahrscheinlich zu lang oder zu kompliziert. Wenn Fragen kommen, dann ist das der Beweis, dass Ihre Zuhörer nicht eingeschlafen sind, Mission erfüllt. Deswegen: Planen Sie lieber, die Präsentation so kurz wie möglich zu halten, freuen Sie sich auf die Fragen.

TED Talk oder nicht: Ganz egal. Verschwenden Sie nur nicht die Lebenszeit Ihrer Zuschauer (oder Ihre eigene)

Das sind viele Gründe gegen einen TED-Talk und ebenso viele Gründe für einen TED-Talk. Mal unabhängig vom Namen: Denken Sie beim nächsten Mal an uns Zuseher. Unsere Lebenszeit ist knapp. Wir wollen nicht mehr durch langweilige Präsentationen humpeln. Wir werden immer ungeduldiger. Denken Sie beim nächsten mal an uns und erzählen uns nicht das, was wir sowieso schon wissen, sondern was neu, was spannend ist; was uns anspornt und unser (Arbeits)leben bereichert. Zeigen Sie es uns beim nächsten Mal!